Page 32 - Planen Bauen Wohnen im Kreis Ostholstein
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Bauordnungsrecht
machen wird und die Geltendmachung des Abwehr- rechtes nach den Umständen des Einzelfalles gegen Treu und Glauben verstößt. Danach ist eine Nachbarklage rechtsmissbräuchlich, wenn mit der Geltendmachung der Nachbarrechte bis kurz vor Vollendung des Bauwer- kes zugewartet wurde.
In ihren Rechten betroffene Nachbar:innen können ge- gen die erteilte Baugenehmigung Nachbarwiderspruch erheben mit anschließender Nachbarklage. Nach § 212 a Absatz 1 BauGB haben diese Rechtsbehelfe keine auf- schiebende Wirkung, d. h. trotz eingelegten Rechtsbe- helfs ist der:die Bauherr:in zunächst berechtigt, von der ihm bzw. ihr erteilten Baugenehmigung – auf eigenes Risiko – Gebrauch zu machen.
Die untere Bauaufsichtsbehörde sowie die Widerspruchs- behördekönnenjedochvonAmtswegenoderaufAn- trag des:der Nachbar:in die Vollziehung der Baugeneh- migung aussetzen. Dagegen kann der:die Bauherr:in das Verwaltungsgericht anrufen; umgekehrt kann der:die Nachbar:in beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines bzw. ihres Wider- spruchs begehren, wobei es eines vorherigen Antrages bei der Bauaufsichtsbehörde nicht bedarf. Eine weitere Möglichkeit des:der Nachbar:in besteht darin, bei der Bauaufsichtsbehörde einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten auf dem betreffenden Grundstück zu stellen.
Ein:e Nachbar:in hat hier allerdings selbst bei Verletzung subjektivöffentlicher Nachbarrechte grundsätzlich kei- nen strikten Anspruch auf Einschreiten der Bauaufsichts- behörde, sondern in der Regel nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein strikter Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten besteht nur in den Fällen, wenn eine Ermessensreduzierung auf „Null“ vor- liegt. Das ist nach der ständigen verwaltungsgerichtli- chen Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn eine deut- lich spürbare Nachbarrechtsverletzung gegeben ist.
In den Fällen, wo eher eine geringfügige Beeinträch- tigung des Grundstücks gegeben ist, darf die Bauauf- sichtsbehörde im Rahmen ihres Ermessens auch die Mög- lichkeiten, zivilrechtlich gegen Störungen vorzugehen (§§ 1004, 906 BGB), berücksichtigen.
Ausnahmen und Befreiungen § 31 BauGB Abweichungen § 67 LBO
Das Baugesetzbuch und die Landesbauordnung ge- ben den Bauaufsichtsbehörden die Möglichkeit, unter Abweichung von diesen abstrakt generellen Rege- lungen auf der Grundlage des konkreten Einzelfalles dem:der Bauherr:in eine Ausnahme, Befreiung oder Abweichung im Rahmen der gesetzlichen Vorausset- zungen zu erteilen.
Die Ausnahme, Befreiung oder Abweichung ist schrift- lich zu beantragen und zu begründen. Für Ausnahmen und Befreiungen ist das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich. Über Abweichungen von örtlichen Bauvor- schriften entscheidet der Fachdienst Bauordnung ohne Einvernehmen mit der Gemeinde (§ 67 Abs. 3 LBO).
AufgabenundBefugnissederBauaufsichtsbehörden § 58 LBO
Nach den §§ 58, 78 ff. LBO haben die Bauaufsichtsbe- hörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsän- derung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu wachen, dass die öffentlichrecht- lichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschrif- ten erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie haben die nach pflichtgemäßem Ermessen erforder- lichen Maßnahmen zu treffen. Der Hinweis auf das pflichtgemäße Ermessen stellt klar, dass nicht aufgrund jedweder materiellen Regelung öffentlichrechtlichen Inhalts generelle Prüf oder Überwachungspflichten der unteren Bauaufsichtsbehörde erwachsen.
Es ist vornehmlich Aufgabe der Bauherr:innen, die öf- fentlich-rechtlichen Anforderungen zu erfüllen.
Im Rahmen eines baubehördlichen Vorgehens be- steht für die Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit der Baueinstellung, wenn ohne Baugenehmigung gebaut bzw. von den genehmigten Bauvorlagen abgewichen wird. Sofern eine nachträgliche Genehmigungsfähig- keit nicht möglich ist, kann eine Nutzungsuntersagung sowie auch die Beseitigung einer Anlage angeordnet werden. Wenn aufgrund des Zustandes einer Anlage eine Nutzung auf Dauer nicht mehr zu erwarten ist – insbesondere bei Ruinen – ist die Anordnung der Beseitigung möglich. Zum Vollzug ordnungsbehörd- licher Maßnahmen sind unter anderem auch die Fest- setzung und Beitreibung von Zwangsgeldern möglich.